Die ewige Jugend oder der Wunsch nach Unsterblichkeit
Longevity (das lange Leben), die ewige Jugend oder der Wunsch nach Unsterblichkeit, ist nicht nur als ein molekulares Überlebensprogramm in unserer DNA verankert, sondern auch erklärtes Forschungsziel unerschrockener Biogerontologen. Während der Biomathematiker Steve Horvath eher fatalistisch auf die epigenetische Uhr verweist, die als Biomarker sehr präzise die uns noch zur Verfügung stehende Lebenszeit bestimmt, wird dem durch den bekannten Altersforscher Aubrey de Grey widersprochen, nachdem es „nur“ einiger zellulärer Reparatureingriffe bedürfe, um das Alter auf bis zu 1 000 Jahre anzuheben.
Ob es nun an den Telomeren liegt, die als eine Art „Schutzkappen“ unsere Chromosomen schützen und sich leider nach jeder Zellteilung verkürzen, dürfte wohl weniger entscheidend sein. Auch liegt die Antwort, wie der Wettbewerbsvorteil mitochondrialer Mutanten („survival of the slowest“) gegenüber genetisch makellosen, aber membrangeschädigten Mitochondrien unterbunden werden kann, eher in einem selbstregulierenden „hormesischen“ Eingriff, der aus Erkenntnissen des Trainings von Gebirgsjägern und Leistungssportlern stammt. Wie aber sog. Advanced Glycation Endproducts (AGEs) zu begegnen ist, welche unsere Proteine durch „Karamelisierung“ funktionsuntüchtig machen, wartet ebenso wie das „Crosslinking“ (Quervernetzung) von Proteinen, welche für das Alterspigment Lipofuszin, der „Steifigkeit“ von Bindegewebe oder dem Grauen Star verantwortlich sind, auf einen entscheidenden Lösungsansatz.
Mit seiner Hypothese der „hypothalamischen Resistenz“, argumentiert der Endokrinologe Vladimir Dilman wiederum aus einer völlig anderen Richtung. So sollen erhöhte Cortisolspiegel, wie sie unter Stress üblich sind, die Glukokortikoid-Rezeptoren des Hypothalamus schädigen, so dass der Cortisolspiegel nicht mehr zu kontrollieren ist und sich in eigentlich unbedeutenden Stresssituationen fast chronisch nach oben bewegt – mit allen negativen Folgen, die eben Cortisol mit sich bringt.
Aber noch ist nichts verloren. Scheint doch der zum Star der amerikanischen Anti-Aging-Szene aufgestiegene Genetiker und Harvard-Professor David Sinclair, einer lebensverlängernden Formel schon sehr nahe zu sein. Zwar begnügt er sich mit bescheidenen 120 Lebensjahren, die ein Menschen bei weiterhin guter Gesundheit erreichen kann. Betrachtet man das Altern nämlich als Krankheit, ist es durchaus vorstellbar, mit einem Cocktail bereits bekannter, pharmakologisch wirksamer Mittel, essentielle Zellfunktionen weiterhin auf Dauerbetrieb zu halten.
Fragt man sich, warum das alles so lange dauert, ist die Antwort relativ banal. Denn genauso, wie es sich bei Zigmillionen wissenschaftlicher Publikationen nicht verhindern lässt, dass wichtige Studienergebnisse in den Datenbanken nur deshalb verstauben, weil ein Investor durch einen schnellen „Pitch“ nicht zu überzeugen war, herrscht in der Umsetzung entscheidender Lösungsansätze oft eine Verzagtheit, dahinter ein „Unicorn“ zu sehen.
Die eher für ihr Understatement bekannte Financial Times hat es unlängst auf den Punkt gebracht. „Longevity – the biggest business opportunity of the 21st century“. Davon zeugt auch der 2nd Longevity Leaders Congress in London (virtual event May 19 -22, 2020), wo führende Köpfe aus Wissenschaft, Technologie, Business und Finanzen schon längst dabei sind, die Weichen für ein bisher nicht für möglich gehaltenes Human Enhancement zu stellen.